Liebe Freund_innen, wir haben die letzten beiden Tage soviel von Ein- und Auschluss gesprochen und Umkehrungen praktiziert, dass ich kurzerhand entschlossen habe, diesen Post auf kurmanci zu verfassen. Hehe. Leyla Yenirce würde das vermutlich freuen, aber wir wollen hier nicht den Unmut der Integrationsfetischisten auf uns ziehen und bleiben bei der good old german language. Fangen wir an mit der Hauptfrage: Warum zum Teufel ist Leyla Yenirce nicht schon längst weltberühmt? Die zwanzig minütige Lecture, die sie im Rahmen von “Future is…” hielt, formierte sich nach zwei Texten zu einem acapella Rapkonzert mit topaktuellen Ryhmes. Fast Freestyle also. Der Text mit dem kalten Kaffee, nein, mit dem kalten Restkaffee (!) ist programmatisch, würde ich sagen. Scheinbar banale Gesten einer Frau, die so einiges über Klassismus und Rassismus aussagen. Wie ernüchternd “Die Reste einer Kaffeekanne” sein können:
“Es lässt mich an einen Spruch denken, den ich auf diversen Memes und T-Shirts immer wieder lese: „The Future is Female“. No, it is not. Die Zukunft ist nicht weiblich, die Zukunft ist intersektional. Ich sehe die Frau, die meiner Mutter die Reste aus der Kanne anbietet, nicht an ihrer Seite kämpfen. Sie mögen zwar beide mit den strukturellen Diskriminierungen eines patriarchalen Systems zu schaffen haben, aber so lange der Kaffee aus der Kanne nicht heiß ist, sehe ich sie nicht nebeneinander stehen, sondern meine Mutter nur unter ihr.” (Leyla Yenirce)
Yo. Nickende Köpfe um mich herum. Alles Töchter von Putzfrauen? Möglich, möglich. Aber möglicherweise noch vielmehr Töchter von “Putzperlen” und “Putzfeen” – um mal einige dieser irrsinnigen Euphemismen zu nennen, die erfunden werden, damit sich Auftraggeber_innen nicht eingestehen müssen, dass die Putzfrauen den Dreck mit harter körperlicher Arbeit beseitigen, und nicht mit einem Zauberstab.
Ein anderer Text ist der Cousine gewidmet, die Leyla Yenirce zwar über alles liebt, aber deren Wunsch nach einem Haus mit Garten die Rapperin so dermaßen abfucked, dass sie sich gewzungen sieht, darüber zu texten. “Haus mit Garten” lautet der Titel. Ein Genuss wie Leyla Yenirce den Titel ansagt und dabei amüsiert ins Publikum blickt, weil sie weiß, dass nach diesem einfachen Titel erlesene Worte folgen werden, die diese idyllische Welt aus Blumenbeeten sanft zerlegen. Das Klassenbewusstsein lässt es gelegentlich einfach nicht zu, manch eine Sehnsucht ohne weiteres zu billigen. Und das ist auch gut so.
Und weil sich an dieser Stelle eine gute Gelegenheit bietet, möchte ich meinen Bericht über die Lecture mit so einen Satz beenden, den man auf Buchrücken preisgekrönter Publikationen sehr oft antrifft. Mein Satz lautet: Leyla Yenirce ist eine Sprachkünstlerin, die ihresgleichen sucht. Isso!