Dekolonialisierung von Kunst und Gesellschaft, die dafür notwendigen Prozesse und Strategien sowie die Möglichkeiten, durch Kunst politisch zu wirken, die Frage nach Herausforderungen, Lösungsstrategien und Utopien – im CLINCH-Gespräch haben sich die Kulturwissenschaftlerin Golschan Ahmad Haschemi, Rapper Camufingo (der auch als Produzent und Toningenieur tätig ist) und die Wiener Künstlerin decolonial_killjoy am Donnerstagabend spannenden Themen zugewandt und den ersten Festivaltag mit wichtigen Fragen ausklingen lassen. Es ging vor allem um Fragen des eigenen künstlerischen Schaffens: Wie ist es, als Schwarze Künstler_in mit dezidiert politischer Message auf eine Gesellschaft zu treffen, die in der Regel keine angemessenen Plattformen für diese Kunst anbietet? Welche Herausforderungen gibt es, wenn es darum geht, Kunst – und auch die eigene Kunst – zu dekolonisieren? Wie geht man mit der Herausforderung um, dass die eigene Kunst nicht – “an und für sich gesehen wird, sondern immer wieder im Zusammenhang mit Identität?” (O-Ton Golschan). Und außerdem: Wie bewältigt man den Spagat zwischen künstlerischer Selbstverwirklichung (in einem Raum, den man sich selber schaffen und autonom halten muss) und Lohnarbeit?
Fördermittel und finanzielle Ressourcen für Kunst sind immer auch im hegemonialen Bereich des Konstrukts “Hochkultur” angesiedelt – einem Feld, das vor allem die Funktion hat, Dominanzkultur widerzuspiegeln. Doch woher die Ressourcen nehmen um die eigene künstlerische Arbeit verfolgen zu können? “Auf bestimmte Gelder verzichten wir”, betont decolonial_killjoy, “wir weigern uns auch Worte wie “Integration” und “Diversity” zu benutzen”. Dies sei in Zeiten der rechten Regierung in Österreich noch unumgänglicher. Stattdessen sind ihre Strategien: Koalitionen bilden, Räume selbst schaffen, alternative Ressourcen nutzen – etwa über Crowdfunding. Die Idee, von Kunst zu leben habe sie bereits ad acta gelegt: “Mir ist es wichtiger, Dinge zu teilen, als irgendwer zu sein.”
Auch Camufingo besteht auf seine künstlerische Autonomie. Das Feedback auf seine Musik sei zwar gut, aber vor der Situation zu stehen, nie eine gerechte, gleichberechtigte Plattform zu erhalten sei eine der größten Herausforderungen seiner Arbeit. “Man bekommt zwar ständig gesagt: “Das was du machst ist richtig gut!” Aber es kommt nichts zurück”, lautet sein Fazit.
Keine angemessene Plattform zu erhalten, ständig als Token zu Veranstaltungen eingeladen zu werden (oder zu Themen, die nicht die eigenen sind), die ständige Forderung nach unbezahlter Arbeit oder auch ermüdender Email-Verkehr – das sind die alltäglichen Belastungspunkte künstlerischer Arbeit, die sich nicht an die Dominanzgesellschaft und deren Botschaften richtet.
Kraftquellen? Empowerment, kein Anbiedern an ein Publikum und das kompromisslose Festhalten an den eigenen Visionen. “Wir müssen Sachen für uns machen”, lautet dann auch das Fazit der Runde. Denn: Wenn es nicht gefällt, “dann ist es halt nicht für dich”, fasst Camunfingo zusammen. Und das kann man ja durchaus mal so stehen lassen.